Das deutsche Erbrecht kann für viele Menschen kompliziert erscheinen, besonders wenn es darum geht, Vermögen oder Immobilien gezielt an bestimmte Personen zu vererben. Um Ihnen Orientierung zu bieten, erkläre ich in dieser Informationsreihe die wichtigsten Instrumente und Regeln des deutschen Erbrechts, mit denen Sie Ihren Nachlass nach Ihren Wünschen gestalten können.
In dieser Reihe beleuchte ich die wesentlichen Aspekte, wie Sie Vermögen oder Immobilien gezielt vererben können – von Instrumenten wie Testament und Erbvertrag bis hin zu rechtlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen. Dabei gehe ich auch auf Themen wie den Pflichtteilsanspruch, Schenkungen zu Lebzeiten und Wege zur steuerlichen Optimierung ein.
Ziel dieser Informationsreihe ist es, Ihnen einen klaren Überblick zu geben und Ihnen zu zeigen, wie Sie Ihren Nachlass nach Ihren Vorstellungen regeln können. Eine frühzeitige Beschäftigung mit dem Erbrecht eröffnet Ihnen Optionen, Ihre Wünsche individuell umzusetzen, familiäre Konflikte zu vermeiden und oft auch Steuern zu sparen. Diese Rechtstipps ersetzen jedoch keine anwaltliche Beratung und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Für individuelle Unterstützung kontaktieren Sie mich bitte.
I. Instrumente zur gezielten Nachlassplanung
Um Vermögen oder Immobilien gezielt zu vererben, bietet das deutsche Erbrecht verschiedene Instrumente, mit denen Sie Ihren Nachlass nach Ihren Wünschen verteilen können. Ohne eine solche Planung greift die gesetzliche Erbfolge (§§ 2303 ff. BGB), die das Vermögen nach festgelegten Regeln (z. B. an Ehepartner, Kinder oder Eltern) verteilt. Um dies zu vermeiden, stehen folgende Optionen zur Verfügung:
- Testament
Ein Testament ist die einfachste und flexibelste Form, um Ihren Nachlass zu regeln. Es kann handschriftlich verfasst (§ 2247 BGB) oder notariell beurkundet werden. Im Testament können Sie festlegen, wer welche Vermögenswerte oder Immobilien erhält. Hierfür stehen verschiedene Gestaltungsmittel zur Verfügung:
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- Erbquoten
Erbquoten bestimmen, wie der Nachlass unter den Erben aufgeteilt wird. In der gesetzlichen Erbfolge hängt die Erbquote vom Verwandtschaftsgrad ab. Beispielsweise erben Ehepartner und Kinder in der Regel zu gleichen Teilen, wobei der Ehepartner mindestens die Hälfte des Nachlasses erhält, wenn er im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft verheiratet war. In einem Testament können Sie diese Quoten frei festlegen, um z. B. ein bestimmtes Kind stärker zu berücksichtigen. Wichtig ist, dass Pflichtteilsrechte (siehe Abschnitt II) beachtet werden, da diese die Verteilung einschränken können.
- Erbquoten
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- Teilungsanordnung
Eine Teilungsanordnung (§ 2048 BGB) ist eine spezifische Anweisung im Testament, durch die Sie festlegen, wie bestimmte Vermögenswerte insbesondere einzelne Gegenstände unter den Erben aufgeteilt werden sollen. Beispielsweise können Sie bestimmen, dass ein bestimmtes Haus an ein bestimmtes Kind gehen soll, während andere Vermögenswerte unter den übrigen Erben aufgeteilt werden. Die Teilungsanordnung ist jedoch an die Erbquoten gebunden, d. h., der Wert der zugeteilten Vermögenswerte muss den Erbanteilen entsprechen. Wurde im Rahmen einer Teilungsanordnung einem Erben ein bestimmter Vermögenswert zugewiesen, der weniger wert ist als sein Erbteil, so wird der Vermögenswert auf den Erbteil angerechnet. Übersteigt der zugewiesene Vermögenswert den Erbteil, so sollten zusätzliche Regelungen wie Abfindungen für andere Erben getroffen werden.
- Teilungsanordnung
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- Vermächtnis
Ein Vermächtnis (§ 1939 BGB) ist eine weitere Option, Vermögen oder Immobilien gezielt zu vererben. Im Gegensatz zur Erbeinsetzung, bei der der Erbe einen Anteil am gesamten Nachlass erhält, wird durch ein Vermächtnis einer bestimmten Person (Vermächtnisnehmer) ein konkreter Vermögensgegenstand, wie z. B. eine Immobilie oder ein Geldbetrag, zugewendet. Der Vermächtnisnehmer wird jedoch nicht Erbe, sondern hat lediglich einen Anspruch gegen die Erben auf Herausgabe des Vermächtnisses. Beispielsweise können Sie verfügen, dass ein Freund eine bestimmte Immobilie als Vermächtnis erhält, während die Erben den restlichen Nachlass teilen. Ein Vermächtnis kann die Nachlassplanung flexibler gestalten, erfordert jedoch eine präzise Formulierung, um Streitigkeiten zu vermeiden, und kann die Erben mit der Erfüllung des Vermächtnisses belasten.
- Vermächtnis
- Erbvertrag
Ein Erbvertrag (§§ 2274 ff. BGB) ist eine notariell zu beurkundende Vereinbarung zwischen dem Erblasser und den Erben oder Dritten. Anders als ein Testament ist ein Erbvertrag bindend und kann nicht einseitig geändert werden. Er eignet sich besonders, wenn komplexe Regelungen getroffen werden sollen, z. B. wenn eine Immobilie unter bestimmten Bedingungen (z. B. Nießbrauchrecht für den Ehepartner) vererbt werden soll. - Schenkung zu Lebzeiten
Eine weitere Option ist die Schenkung zu Lebzeiten (§ 516 ff. BGB). Hierbei übertragen Sie Vermögen oder Immobilien bereits vor Ihrem Tod an die gewünschten Personen. Dies kann steuerliche Vorteile haben, da Schenkungen Freibeträge nutzen können (z. B. derzeit 400.000 € pro Kind alle 10 Jahre). Eine Schenkung erfordert jedoch eine notarielle Beurkundung bei Immobilien und sollte gut geplant sein, da sie weitreichende Folgen sowohl vor als auch nach dem Versterben hat.
II. Berücksichtigung des Pflichtteils
Selbst bei einer gezielten Nachlassplanung müssen die Pflichtteilsrechte bestimmter Personen beachtet werden (§ 2303 BGB). Ehepartner, Kinder und unter Umständen Eltern haben Anspruch auf den Pflichtteil, der die Hälfte des gesetzlichen Erbteils beträgt. Dies kann die gewünschte Verteilung einschränken, insbesondere wenn bestimmte Erben enterbt werden sollen. Um den Pflichtteil zu reduzieren, können Schenkungen zu Lebzeiten genutzt werden, allerdings können diese unter bestimmten Umständen (z. B. innerhalb von 10 Jahren vor dem Tod) zurückgefordert werden (§ 2325 BGB). Es bedarf daher auch in diesem Punkt einer durchdachten Vorgehensweise um den letzten Willen wirksam umzusetzen.
III. Steuerliche Aspekte der gezielten Nachlassplanung
Die Erbschafts- und Schenkungssteuer spielt eine zentrale Rolle bei der Nachlassplanung. Freibeträge (z. B. derzeit 500.000 € für Ehepartner, 400.000 € für Kinder) können genutzt werden, um die Steuerlast zu minimieren. Besonders bei Immobilien gibt es zusätzliche Vergünstigungen, z. B. unter bestimmten Voraussetzungen die Steuerbefreiung für das Familienheim, wenn der Ehepartner oder die Kinder dort weiter wohnen (§ 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG). Eine frühzeitige Planung, z. B. durch Schenkungen zu Lebzeiten oder die Nutzung von Freibeträgen, kann die Steuerlast erheblich reduzieren.
Zusammenfassung
Das gezielte Vererben von Vermögen oder Immobilien ist durch Testament, Erbvertrag oder Schenkungen zu Lebzeiten möglich. Dabei müssen Erbquoten, Pflichtteilsrechte und steuerliche Aspekte berücksichtigt werden, um Ihre Wünsche effektiv umzusetzen und Konflikte oder hohe Steuerlasten zu vermeiden. Weitere Gestaltungsmittel, die jedoch im Detail den Rahmen dieses Rechtstipps sprengen würden, können beispielsweise unter Umständen auch der Erbverzichtsvertrag oder Pflichtteilsverzichtsvertrag sein. Eine frühzeitige Planung und anwaltliche Beratung sind daher entscheidend, um eine maßgeschneiderte Nachlassregelung zu erstellen. Erst im Rahmen der anwaltlichen Beratung kann eine umfassende Berücksichtigung der konkreten Begebenheiten und aller potenziellen Gestaltungsmittel erfolgen.
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Rechtsanwältin Helen Lorenz
September 2025