Das deutsche Erbrecht ist ein komplexes Rechtsgebiet, das viele Menschen vor Herausforderungen stellt, insbesondere in Zeiten des Verlusts und der Trauer. Um eine Hilfestellung zu bieten und Klarheit zu schaffen, ist es wichtig, über die grundlegenden Themen des deutschen Erbrechts informiert zu sein.
In dieser Informationsreihe werde ich die wesentlichen Aspekte des deutschen Erbrechts beleuchten, angefangen bei der gesetzlichen Erbfolge und den erbberechtigten Personen bis hin zu den Möglichkeiten der letztwilligen Verfügung, wie Testament und Erbvertrag. Dabei werde ich auch auf Themen wie den Pflichtteilsanspruch, die Gesamtrechtsnachfolge und die rechtlichen Grenzen bei der Erbeinsetzung eingehen.
Das Ziel dieser Informationsreihe ist es, einen ersten Überblick zum deutschen Erbrecht zu geben und dadurch eine Orientierung zu bieten. Denn es handelt sich hierbei um eine komplexe Materie mit der jeder über kurz oder lang in Berührung kommt – häufig leider unerwartet und unvorbereitet. Dabei ist es einerseits wichtig, die Handlungsmöglichkeiten und ‑pflichten auch in Zeiten der Trauer möglichst schnell zu überblicken und andererseits können durch eine frühzeitige Auseinandersetzung mit der Thematik Regelungsmöglichkeiten eröffnet werden, durch die die eigenen Wünsche individuell umgesetzt und häufig familiärer Streit aber unter Umständen auch Steuerlasten vermieden werden. Die Rechtstipps ersetzen jedoch keine anwaltliche Beratung und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sollten Sie meine individuelle Unterstützung wünschen, so kontaktieren Sie mich bitte.
Wenn ein Verstorbener (der Erblasser – die Person, deren Vermögen vererbt wird) eine Immobilie hinterlässt und mehrere Personen als Erben (die Begünstigten, die das Vermögen erhalten) eingesetzt sind, entsteht oft eine komplexe Situation. Der folgende Rechtstipp beleuchtet die wesentlichen Aspekte der Aufteilung einer Nachlassimmobilie nach deutschem Recht. Ziel ist es, einen Überblick über die wichtigsten gesetzlichen Regelungen und Begrifflichkeiten zum Thema zu geben.
I. Die Entstehung der Erbengemeinschaft
Sobald der Erblasser verstirbt, fällt der gesamte Nachlass (das Vermögen des Verstorbenen, einschließlich Immobilien, Geld, Schulden usw.) an die Erben. Wenn mehrere Erben vorhanden sind – sei es durch gesetzliche Erbfolge (die vom Gesetz vorgesehene Reihenfolge, z. B. Kinder, Ehepartner oder Eltern, wenn kein Testament existiert) oder durch ein Testament (eine letztwillige Verfügung, in der der Erblasser selbst die Erben bestimmt) – bilden diese automatisch eine Erbengemeinschaft. Eine Erbengemeinschaft ist eine vorübergehende Gemeinschaft der Erben, in der das Erbe als Ganzes gemeinschaftlich verwaltet wird, ohne dass einzelne Erben Anteile an spezifischen Gegenständen haben. In dieser Gemeinschaft gehört die Immobilie (z. B. ein Haus oder eine Wohnung) nicht einem einzelnen Erben, sondern allen zusammen als Gesamthandseigentum (eine Form des Eigentums, bei der die Erben nur gemeinsam über das Ganze verfügen können, nicht über Teile).
Die Erbengemeinschaft ist vorübergehend und dient der Verwaltung des Nachlasses, bis die Auseinandersetzung (die endgültige Aufteilung des Erbes unter den Erben) erfolgt. Dabei hat jeder Erbe hat das Recht, die Auseinandersetzung jederzeit zu verlangen, um aus der Gemeinschaft auszuscheiden. In tatsächlicher Hinsicht gibt es bei der Auseinandersetzung jedoch einige Hürden zu bewältigen.
II. Mögliche Wege zur Aufteilung der Immobilie bei Einigkeit der Erbengemeinschaft
Immobilien lassen sich im Gegensatz zu Geld oder beweglichen Sachen nicht einfach physisch teilen. In aller Regel ist es sinnvoll, auf eine Einigung innerhalb der Erbengemeinschaft hinzuwirken. Dies spart nicht nur Zeit und Nerven, sondern ist zumeist vor allem auch aus wirtschaftlicher Perspektive ratsam. Gerade bei zerstrittenen Erbengemeinschaften bedarf es jedoch geeigneter Verhandlungsstrategien um eine Einigung zu erzielen.
Die Aufteilung kann dann über einen der folgenden Wege vollzogen werden:
- Verkauf und Aufteilung des Erlöses
Die Erbengemeinschaft verkauft die Immobilie einvernehmlich (z. B. über einen Makler oder Notar) und teilt den Verkaufserlös anteilig auf. Der Anteil jedes Erben richtet sich nach seiner Erbquote (dem prozentualen Anteil am gesamten Nachlass, z. B. 50 % bei zwei gleichberechtigten Erben). Dies ist häufig die wirtschaftlich sinnvollste Lösung.
- Übernahme durch einen Erben mit Abfindung
Ein Erbe übernimmt die gesamte Immobilie und zahlt die anderen Erben aus. Die Abfindung entspricht dem Wertanteil der anderen Erben, basierend auf einem Schätzwert. Dies erfordert eine einvernehmliche Vereinbarung und oft einen Erbschaftskaufvertrag (einen Vertrag, der den Übergang der Immobilie regelt).
- Realteilung
Die Immobilie wird physisch geteilt, z. B. in separate Wohneinheiten (wie bei einem Mehrfamilienhaus). Dies ist selten möglich und nur bei geeigneten Objekten umsetzbar. Es entsteht dann Miteigentum (jeder Erbe erhält einen Anteil an der Immobilie, der im Grundbuch eingetragen wird).
Falls der Erblasser eine Teilungsanordnung (eine Anweisung im Testament, die spezifische Gegenstände einem bestimmten Erben zuweist) getroffen hat, kann dies die Aufteilung erleichtern, aber sie muss den gesetzlichen Vorgaben entsprechen.
III. Verfahren bei Uneinigkeit in der Erbengemeinschaft
Nicht immer einigen sich die Erben. In solchen Fällen kann ein Erbe die Auseinandersetzung gerichtlich erzwingen:
- Teilungsversteigerung
Jeder Miterbe kann eine Teilungsversteigerung beantragen. Dabei handelt es sich um eine Zwangsversteigerung der Immobilie durch das Amtsgericht. Häufig werden bei Zwangsversteigerungen allerdings niedrigere Erlöse erzielt als bei einem freien Verkauf und gleichzeitig fallen im Rahmen der Zwangsversteigerung nicht unerhebliche Kosten an. Ebenso ist zu berücksichtigen, dass das Verfahren – je nach Gericht – relativ lange dauert.
Können die Erben keine Einigung erzielen, kann die Teilungsversteigerung dennoch den geeigneten Ausweg darstellen, da jeder Erbe diese ohne Zustimmung der anderen einleiten kann.
- Erbauseinandersetzungsklage
Anschließend an die Teilungsversteigerung kann eine Erbauseinandersetzungsklage notwendig werden. Denn der Veräußerungserlös fällt ebenfalls in den Nachlass und steht damit allen Miterben gemeinschaftlich zu. Können sich die Miterben auch hierüber nicht einigen, muss die Aufteilung des Nachlasses eingeklagt werden. Dabei sind sämtliche Nachlasswerte in die Klage aufzunehmen.
IV. Wichtige Hinweise und Steuern
Aufgrund des erheblichen Konfliktpotenzials bei Erbauseinandersetzungen, empfiehlt es sich, frühzeitig – idealerweise vor der vollständigen Eskalation – eine anwaltliche Beratung in Anspruch zu nehmen. Lassen Sie sich frühzeitig beraten, um Konflikte zu vermeiden und Ihre Rechte zu wahren.
Die Erben müssen ggf. Erbschaftssteuer (eine Steuer auf den Erwerb des Nachlasses) zahlen. Allerdings greifen unter Umständen Freibeträge (z. B. 400.000 € pro Kind) und Ausnahmeregelungen zum Beispiel bei der Übernahme eines Familienheims.
Zusammenfassend kann also festgehalten werden, dass das deutsche Erbrecht die Aufteilung einer Immobilie unter mehreren Erben durch die Bildung einer Erbengemeinschaft regelt, in der das Vermögen zunächst gemeinschaftlich verwaltet wird. Die Erben können die Immobilie einvernehmlich verkaufen und den Erlös aufteilen, sie durch einen Erben mit Abfindung übernehmen lassen oder in seltenen Fällen physisch teilen (Realteilung). Bei Uneinigkeit kann ein Erbe eine Teilungsversteigerung oder Erbauseinandersetzungsklage beantragen, was jedoch oft mit niedrigeren Erlösen und hohen Kosten verbunden ist.
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Rechtsanwältin Helen Lorenz
September 2025